Update: Informationen zu Afghanistan – Ortskräfte, Familiennachzug, gefährdete Personen

Die dramatische Entwicklung in Afghanistan verunsichert auch viele der hier lebenden Menschen aus Afghanistan und führt zu zahlreichen Nachfragen bei den Mitarbeitern*Innen der Verbände. Auf einige der häufigsten Fragen will ich hier eingehen, auch wenn viele noch nicht beantwortet werden können – oft ist nur eine Zwischenstandsmeldung möglich. Da sich die Situation rasch ändert, kann die eine oder andere Aussage schon morgen überholt sein. Sie sollten deshalb die Entwicklung im Blick behalten.

1.) Laufende Asylverfahren beim BAMF
Beim BAMF anhängige Asylverfahren werden derzeit nicht weiterbearbeitet. Die Dauer
der Aussetzung ist unbekannt und dürfte von der Entwicklung abhängen. Geduld wird
erforderlich sein. Bitten, rasch zu entscheiden oder Untätigkeitsklagen haben derzeit
keinen Erfolg.
Zu beachten ist, dass es nicht ausgeschlossen ist, das Asylentscheidungen, die schon
getroffen wurden, erst jetzt zugestellt werden. In diesem Fall sollte unbedingt eine
Klage auf asylrechtlichen Schutz eingereicht werden.

2.) Bei Gericht anhängige Verfahren
Auch die Gerichte verhandeln überwiegend nicht, sondern warten auf die weitere
Entwicklung oder ordnen förmlich das Ruhen des Verfahrens an.
Mir wurde von einzelnen Gerichten berichtet, dass ein sog. humanitärer Schutz gem.
§ 60 Abs.5 AufenthG angeboten wurde. Auch gibt es noch Gerichtstermine, die noch
nicht abgesetzt sind und wo dann möglicherweise ebenfalls das angeboten wird.
Ich rate derzeit davon ab, solche Angebote anzunehmen. Es erscheint durchaus
möglich, dass später der Flüchtlingsstatus in Frage kommt. Dann müsste ggf. ein
Folgeantrag gestellt werden. Die weitere Entwicklung der Lage sollte abgewartet
werden.

3.) Abschiebung
Abschiebungen nach Afghanistan finden derzeit nicht statt und sind auch in der absehbaren Zukunft nicht zu erwarten.

4.) Geduldete
Da es aller Voraussicht nach überschaubarer Zukunft keine Rückführungen geben wird (und auch die Beschaffung von Dokumenten idR derzeit nicht möglich ist), sollten
a) Beschäftigungen erlaubt werden
b) Duldungen gem. § 60b AufenthG („Duldung light“) durch reguläre Duldungen ersetzt
werden.
Ich empfehle, entsprechende Anträge zu stellen.

5.) Folgeanträge
Die Stellung von Folgeanträgen erscheint mir derzeit verfrüht.
Die aktuelle Situation in Afghanistan erlaubt keine verlässliche Einschätzung ob eine
flüchtlingsrelevante Verfolgung iSv § 3 AsylG stattfindet bzw. wer davon konkret bedroht ist bzw. ob subsidiärer oder humanitärer Schutz zu gewähren ist. Ein jetzt gestellter Folgeantrag wird aktuell ebenso wenig entschieden wie die bereits anhängigen Erstanträge. Wegen der Volatilität der Lage ist auch nicht zu befürchten, dass ein Folgeantrag später als verspätet angesehen wird. Hat sich die Lage so stabilisiert, dass Einschätzungen möglich sind, kann immer noch ein Folgeantrag gestellt werden. Gegen einen übereilten Folgeantrag spricht auch, dass sich das uU im Einzelfall als ungünstig erweisen kann (zB.bei bald möglicher Beschäftigungsduldung bzw. einer Aufenthaltserlaubnis gem. § 25b AufenthG; siehe hierzu mein Rundschreiben vom 28.6.2021 zum EuGH-Urteil vom 10.6.2021).

6.) Familiennachzug / Evakuierungen
Soweit bereits Anträge gestellt und bewilligt / entscheidungsreif sind, stellt die Botschaft in
Islamabad angeblich Visa aus; die Grenzen nach Pakistan sollen offen sein.
Neue Anträge auf Familiennachzug machen aktuell wenig Sinn.

Im Übrigen verweise ich auf die informativen Rundschreiben von Frau Stockmann
(Caritasverband Freiburg), dass Sie weiter nach unten finden können.

München, 22.8.2021
Hubert Heinhold
Rechtsanwalt

RAe Wächtler u. Koll., Rottmannstraße 11 a, 80333 München


 

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

sehr geehrte Damen und Herren,

nachfolgend erhalten Sie einige Informationen des Deutschen Caritasverbandes für die Beratung zum Themenkomplex Afghanistan:

„Die dt. Botschaft in Kabul wird auf unabsehbare Zeit geschlossen bleiben. Wie sich die Situation am Flughafen Kabul entwickelt, ist unklar. Daher führen alle „offiziellen“ Ausreisewege nach Deutschland über die Nachbarstaaten. Die Abwägung, ob das Risiko einer Überlandreise in Afghanistan und der Grenzübertritt in ein Nachbarland zumutbar ist, müssen die Familien/betreffenden Personen treffen. Aus der Ferne ist dazu keine qualifizierte Aussage möglich.

1)    Beratung von afghanischen Staatsbürger_innen, die mit einem Visum nach §22.2 AufenthG eingereist sind

Die Personengruppe reist mit einem Visum nach §22.2 AufenthG nach Deutschland ein. Das bedeutet, dass kein Asylantrag gestellt werden muss! Mit dem Visum erhalten die Personen bei der Ausländerbehörde der Zielkommune eine Aufenthaltserlaubnis, die in der Regel für drei Jahre ausgestellt wird. Hier und hier finden Sie eine Zusammenstellung der wichtigsten Informationen für die Personengruppe.

2)    Ortskräfte, die nach Abschluss der Evakuierungen noch in Afghanistan sind

Hier unterscheidet das Auswärtige Amt nach Ortskräften, die bereits einen gültigen Pass und ein Visum nach §22.2 AufenthG haben; Ortskräfte, die noch keine Aufnahmezusage haben; und Ortskräfte, die zwar bereits eine Aufnahmezugsage und einen Pass haben, aber noch kein Visum. Weitere Informationen zu den Verfahren finden Sie hier.

3)    Weitere, besonders gefährdete Afghan_innen, die nicht unter die Definition der „Ortskräfte“ fallen

Besonders gefährdete Personen, etwa aus Zivilgesellschaft, Medien und Kultur, die vom Auswärtigen Amt auf eine Liste für die militärische Evakuierung gesetzt wurden, werden darüber zeitnah informiert. Das Auswärtige Amt wird diese Personen aktiv kontaktieren und informieren, wenn für Sie eine Aufnahmezusage vorliegt. Ist dies der Fall, können Ihnen die deutschen Auslandsvertretungen in den Nachbarstaaten – vorbehaltlich einer Sicherheitsprüfung – Dokumente zur Einreise nach Deutschland ausstellen.

Wenn das Auswärtige Amt die betreffende Person nicht innerhalb der nächsten Tage/Wochen informiert, liegt für diese keine Aufnahmezusage vor. Es ist weiterhin möglich, sich an buergerservice@diplo.de zu wenden, um Schutzbedarfe und besondere Gefährdung geltend zu machen. Wir müssen leider darauf hinweisen, dass die Erfolgsaussichten solcher Anzeigen im Moment gering sein werden.

Für Journalist_innen ist es zu empfehlen, sich an Berufsorganisationen zu wenden, die bei der Ausreise unterstützten können. Eine Übersicht findet sich hier.

4)    Personen mit Aufenthaltstitel und Personen im laufenden Familiennachzugs-Verfahren

Das Auswärtige Amt gibt an:  „Wenn sich afghanische Staatsangehörige mit laufenden Familienzusammenführungs-Verfahren bzw. mit gültigem deutschen Aufenthaltstitel (z.B. Studium) sich an unsere Botschaften in den Nachbarstaaten wenden, können unsere Auslandsvertretungen im Rahmen ihrer Möglichkeiten und in Zusammenarbeit mit den deutschen Innenbehörden bei der Bearbeitung der Anträge und der Ausreise nach Deutschland unterstützen.“

Dies weist darauf hin, dass Personen im laufenden Visumsverfahren sich auch an andere Botschaften als die bisher zuständigen Botschaften in Islamabad und Neu Delhi wenden können. Dies könnte eine Option sein, wenn Familienangehörige z.B. im Iran Schutz gesucht haben, während das Visumsverfahren in Pakistan läuft.

5)    Neu-Anträge auf Familiennachzug

Leider gibt es bisher keine Informationen, dass künftig Familiennachzugsverfahren auch bei weiteren Botschaften, als bei den bisher zuständigen Botschaften Islamabad und Neu Delhi geführt werden können. Sobald uns weitere Informationen vorliegen, informieren wir. Die Wartezeiten auf einen Vorsprachetermin auf ein Visum zum Familiennachzug liegen bei beiden Botschaften bei mehr als einem Jahr.

6)    Weitere Informationen und Einzelfallanfragen

Bitte informieren Sie sich fortlaufend über neue Informationen, da die Lage sich weiterhin dynamisch entwickelt.

Dafür nutzen Sie bitte die Seiten des Niedersächsischen Flüchtlingsrats; den Infoverbund Asyl und Migration; sowie die Seiten von Pro Asyl.

Bis auf weiteres werden wir seitens des DCV kapazitätsmäßig keine Möglichkeit haben, Einzelfallanfragen zum Thema Afghanistan zu beantworten. Ich bitte daher darum, von Mails und Anrufen mit Einzelfallanfragen abzusehen. Ich bitte dafür um Verständnis.

Fragen speziell zum Thema Familiennachzug zu Schutzberechtigten können sich Berater_innen der KAM-Mitgliedsverbände selbstverständlich an die KAM-Hotline zum Familiennachzug wenden. Die Informationen dazu finden Sie im Anhang.

Herzliche Grüße,

Sophia Stockmann

Referentin

Referat Migration und Integration

Deutscher Caritasverband e. V.
Karlstr. 40, 79104 Freiburg
Telefon: 0761 / 200-672
Fax: 0761 / 200-211
E-Mail: sophia.stockmann@caritas.de