Hessischer Flüchtlingsrat. Presseerklärung vom 18.06.2021 Kein Datenschutz zweiter Klasse!
Flüchtlingsrat: Hessen muss AZR-Gesetz im Bundesrat ablehnen
Sensible Daten werden unübersichtlichem Personenkreis zugänglich gemacht
Der Hessische Flüchtlingsrat erwartet von der Landesregierung, dem „Gesetz zur Weiterentwicklung des Ausländerzentralregisters“ in der Bundesratssitzung am kommenden Freitag die Zustimmung zu verweigern. Mit dem Gesetz sollen die im Ausländerzentralregister (AZR) gespeicherten Datensätze, die von allen in Deutschland lebenden Ausländer:innen erhoben werden, erheblich ausgeweitet werden. Bereits in der Anhörung im Bundestag war der Gesetzentwurf von Verbänden und Datenschützer:innen einhellig abgelehnt worden. Auch die Opposition im Bund, allen voran Bündnis90/Die Grünen, lehnte den Entwurf aufgrund datenschutzrechtlicher Bedenken ab.
„Mit der immer weiter ausufernden Datensammelwut in Bezug auf ausländische Menschen wird der Datenschutz komplett ausgehöhlt, für Ausländer:innen gilt nur ein Datenschutz zweiter Klasse“, erklärte Timmo Scherenberg, Geschäftsführer des Hessischen Flüchtlingsrates angesichts der Planungen. „Ein ohnehin schon problematisches Gesetz wird durch die Änderungen noch einmal deutlich verschärft.“
Insbesondere sollen im Fall von Schutzberechtigten auch die Bescheide des Bundesamtes und Gerichtsentscheidungen gespeichert werden, und somit die Gründe für einen Schutzstatus für eine unübersichtliche Anzahl von Menschen zugänglich gemacht werden. Über 16.500 Behörden haben nach Aussage des Bundesverwaltungsamts Zugriff auf das Bundeszentralregister. Zwar sollen laut Gesetzentwurf „Erkenntnisse aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung“ unkenntlich gemacht werden, doch es bleibt die Frage, wie und mit welchem Aufwand dies geschehen wird und welchen Nutzen die Speicherung fast vollständig geschwärzter Dokumente haben würde – denn dies wäre die Konsequenz, wenn man das Schwärzungsvorhaben in Bezug auf Asylverfahren ernst nähme. Für die Betroffenen hingegen bliebe unklar, welche sensiblen Informationen über sie denn nun dort gespeichert und für eine große Zahl von potentiellen Nutzer:innen zugänglich sind, und wer welche Informationen als schwärzungswürdig ansieht.
„Gerade hier in Hessen haben wir ja leider einige Erfahrungen damit sammeln können, wie gespeicherte Daten missbräuchlich abgerufen werden können, wie beispielsweise der Skandal um den NSU 2.0 eindrücklich zeigt. Jetzt soll ein Gesetz verabschiedet werden, mit dem sehr viel mehr und sehr viel sensiblere Daten einem sehr viel größeren Personenkreis zugänglich gemacht werden sollen“, empörte sich Scherenberg. „Wir erwarten insbesondere von Bündnis90/Die Grünen, dass sie dem Gesetzentwurf wie auch die Grünen im Bund ihre Zustimmung verweigern und dass Hessen ihn im Bundesrat ablehnt.“
Gerade im Bereich der Schutzberechtigten ist die Gefahr groß, dass Informationen über die Asylverfahren auch in das Herkunftsland gelangen können – mit fatalen Folgen für die Flüchtlinge und ihre Angehörigen.