Mitwirkungspflicht – BAMF-Einladung

auf dem letzen Runden Tisch des “Viele Kulturen, eine Zukunft” kam die Sprache auch auf “Einladungen”, die das BaMF auch an bereits anerkannte Geflüchtete verschicktDiese Einladungen seien freiwillig, und man solle sie freundlich ablehnen, war die Information, die wir bekamen und bis 4.12.2018 so war.  Seit 12.12.2018 gilt ein neues Gesetz (s. ausführliche Mail des hessischen Flüchtlingsrats unten), und diese “Einladungen” werden verpflichtend. Sie abzulehnen kann weitreichende Konsequenzen haben. Wir sollten Betroffenen also dringend raten, sich (wie vor der Anhörung) ausführlich fachkundig beraten zu lassen, bevor sie den Termin wahrnehmen.

Beratungsstellen finden Sie auf der Homepage unter Informationen / Beratung.

HIER finden Sie das Dritte Gesetz zur Änderung des Asylgesetzes. 

 

Mail des hessischen Flüchtlingsrats:

heute, am 11.12.2018, ist das „Dritte Gesetz zur Änderung des Asylgesetzes“ im BGBL veröffentlicht worden. Mit diesem Gesetz werden in § 73 AsylG Mitwirkungspflichten für Schutzberechtigte im asylrechtlichen Widerrufs- und Rücknahmeverfahren eingeführt. Das Gesetz tritt am 12.12.2018 in Kraft: https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?startbk=Bundesanzeiger_BGBl#__bgbl__%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27bgbl118s2250.pdf%27%5D__1544536362651

Die Einführung des neuen Abs. 3a in § 73 AsylG wird unmittelbare Auswirkungen auf die Beratungspraxis haben. Bereits seit Anfang 2018 verschickt das BAMF Einladungen zu freiwilligen Gesprächsterminen an Schutzberechtigte, die insbesondere in den Jahren 2015 und 2016 im schriftlichen Asylverfahren die Flüchtlingseigenschaft erhalten hatten, mit dem Ziel mittels eines persönlichen Gespräches zu überprüfen, ob die Voraussetzungen für einen Widerruf oder eine Rücknahme des Schutzstatus vorliegen. Die Teilnahme an diesen Gesprächen war jedoch bislang freiwillig, d.h. eine Nicht-Teilnahme hatte keine rechtlichen Konsequenzen. Sofern das BAMF ein Widerrufs- oder Rücknahmeverfahren eröffnen wollte, musste es nach der alten Rechtslage, die Personen anschreiben und ihnen Gelegenheit zu einer schriftlichen Stellungnahme geben (§ 73 Abs. 4 AsylG a.F.).

Mit Inkrafttreten der Neuregelung, werden diese Schreiben künftig jedoch anders aussehen und vor allem: verpflichtenden Charakter haben. So sieht § 73 Abs. 3a AsylG eine Liste von persönlichen Mitwirkungspflichten vor. Das BAMF hat die Betroffenen auf Inhalt und Umfang der Mitwirkungspflichten sowie auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Pflichten hinzuweisen (§ 73 Abs. 3a S. 7 AsylG).

Des Weiteren eröffnet die Änderung die Möglichkeit, alle Schutzberechtigten zur Mitwirkung zu verpflichten, unabhängig davon, welchen Schutzstatus sie im Asylverfahren erhalten haben und ob Ihnen dieser in einem schriftlichen Verfahren zuerkannt wurde oder nicht.

In § 73 Abs. 3a S. 1 AsylG heißt es:  „Der Ausländer ist nach Aufforderung durch das Bundesamt persönlich zur Mitwirkung bei der Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen des Widerrufs oder der Rücknahme der Anerkennung als Asylberechtigter oder der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft verpflichtet, soweit dies für die Prüfung erforderlich und dem Ausländer zumutbar ist.“

Zwar werden an dieser Stelle nur Personen mit Asylberechtigung und Flüchtlingseigenschaft im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention genannt. Durch die Verweisungsnormen des § 73b Abs. 4 sowie des § 73c Abs. 3 AsylG gelten die neueingeführten Mitwirkungspflichten des § 73 Abs. 3a AsylG jedoch auch für Personen mit subsidiärem Schutz sowie für Personen, bei denen nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG festgestellt worden sind.

In § 73 Abs. 3a S. 2 AsylG werden die Mitwirkungspflichten näher definiert. Dort heißt es:  „§ 15 Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Nummer 1, 4 bis 7 und Absatz 3 sowie § 16 gelten entsprechend, hinsichtlich der Sicherung der Identität durch erkennungsdienstliche Maßnahmen (§ 16 Absatz 1 Satz 1 und 2) mit der Maßgabe, dass sie nur zulässig ist, soweit die Identität des Ausländers nicht bereits gesichert worden ist.“

Hinter den in Satz 2 aufgezählten Mitwirkungspflichten, die künftig auch für das Widerrufs- und Rücknahmeverfahren von Schutzberechtigten gelten, verbergen sich folgende Pflichten:

·         die Verpflichtung gegenüber dem BAMF die erforderlichen mündlichen und nach Aufforderung auch schriftlichen Angaben zu machen (§ 15 Abs. 2 Nr. 1)

·         die Überlassung des Pass(-ersatzes) (§ 15 Abs. 2 Nr. 4)

·         das Vorlegen / die Aushändigung / das Überlassen aller erforderlichen Unterlagen / Urkunden in deren Besitz die Person ist (§ 15 Abs. 2 Nr. 5)

·         die Mitwirkung bei Beschaffung Identitätspapieres, sofern kein gültiger Pass- oder Passersatz vorliegt (§ 15 Abs. 2 Nr. 6)

·         die Duldung der vorgeschriebenen erkennungsdienstlichen Maßnahmen (§ 15 Abs. 2 Nr. 7)

Die neu eingeführten persönlichen Mitwirkungspflichten greifen auch, wenn die Schutzberechtigten anwaltlich vertreten sind (§ 73 Abs. 3a S. 2 i.V.m. § 15 Abs. 1 S. 2 AsylG). Wie bei der Anhörung im Asylverfahren ist es somit nicht ausreichend, wenn der Anwalt bzw. die Anwältin für den Mandanten bzw. die Mandantin Stellung nimmt.

Durch die Verpflichtung, gegenüber dem BAMF alle erforderlichen mündlichen Angaben zu machen, werden Einladungen des BAMF zu einem persönlichen Gespräch im Kontext von Widerruf- und Rücknahmeverfahren nicht mehr freiwillig sein. Vielmehr werden Schutzberechtigte künftig verpflichtet sein, an solchen „Widerrufs- bzw. Rücknahmeanhörungen“ teilzunehmen. Für die Beratungspraxis bedeutet dies, dass Schutzberechtigte, wie Asylsuchende zu Beginn des Asylverfahrens, auf diese Anhörungen vorbereitet werden müssen. Dabei ist es für die Beratung vor allem wichtig, die (schriftlich festgehaltenen) Aussagen aus dem Asylverfahren zu kennen (Anhörungsprotokoll / schriftlicher Fragebogen, BAMF-Bescheid, ggf. Gerichtsurteil).

Die Verpflichtung zur Duldung von erkennungsdienstlichen Maßnahmen zur Feststellung und Sicherung der Identität nach § 16 Abs. 1 S. 1 und 2 AsylG (Abnahme von Fingerabdrücken und Erstellung von Lichtbildern) ist nur zulässig, sofern die Identität nicht bereits im Asylverfahren gesichert worden ist. Dies bedeutet zunächst, dass alle Personen, die bereits während des Asylverfahrens erkennungsdienstlich behandelt worden sind nicht erneut zur Fingerabdrucknahme verpflichtet sind. Da jedoch § 16 Abs. 1 S. 2 AsylG vorsieht, dass diese Maßnahmen nur für Personen statthaft sind, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, führt § 73 Abs. 3a S. 2 AsylG dazu, dass für alle Schutzberechtigten, die zum Zeitpunkt des Asylverfahrens noch keine 14 Jahre alt waren, inzwischen allerdings diese Altersgrenze überschritten haben, eine nachträgliche Fingerabdrucknahme zulässig ist.

Kommen die schutzberechtigten Personen ihren Mitwirkungspflichten im Rahmen des Widerruf- / Rücknahmeverfahrens nicht nach, so drohen zweierlei Konsequenzen:

1.      Mittel des Verwaltungszwangs

Das BAMF soll gem. § 73 Abs. 3a S. 3 AsylG die Schutzberechtigten mit Mitteln des Verwaltungszwangs zur Erfüllung ihrer Mitwirkungspflichten anhalten. Mittel des Verwaltungszwangs sind nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVG) das Zwangsgeld (§ 9 VwVG) und als „ultima ratio“ auch ersatzweise die Zwangshaft (§ 16 VwVG). Klagen gegen Maßnahmen des Verwaltungszwangs haben keine aufschiebende Wirkung, so dass in diesen Fällen ein Eilantrag eingereicht werden muss (§ 75 Abs. 1 S. 2 AsylG). Inwieweit die Anwendung von Zwangsmitteln dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht dürfte höchst umstritten sein. Schließlich erlaubt das Gesetz bei Verweigerung der Mitwirkungspflichten eine Entscheidung nach Aktenlage.

2.      Entscheidung nach Aktenlage

Kommen die Betroffenen, der Aufforderung zur Mitwirkung nicht oder nicht vollständig nach, so kann das BAMF gemäß § 73 Abs. 3a S. 3 ff. AsylG über den Widerruf bzw. die Rücknahme nach Aktenlage entscheiden. Bei der Entscheidung nach Aktenlage hat das BAMF sämtliche maßgeblichen Tatsachen und Umstände zu berücksichtigen, sowie die Frage, inwieweit die Personen ihren Mitwirkungspflichten nachgekommen sind. Im schlimmsten Falle kann die Neuregelung also dazu führen, dass unabhängig von der tatsächlichen Situation im Herkunftsland bzw. der individuellen Situation der Schutzberechtigten, der Schutzstatus widerrufen wird, nur, weil die Person nicht oder nicht ausreichend mitgewirkt hat.

Diese Praxis dürfte jedoch unionsrechtlich nicht haltbar sein. Voraussetzung des Widerrufs des internationalen Schutzes ist nach der EU-Qualifikationsrichtlinie der Wegfall der Umstände, die zur Schutzzuerkennung geführt haben (Art. 11 Abs. 1e), 19 Abs. 1 QRL). Hinzu kommt, dass die Veränderung erheblich sein muss und nicht nur vorübergehender Natur sein darf. Zudem muss eine angenommene Veränderung der Umstände vom Mitgliedstaat nachgewiesen werden (Art. 11 Abs. 2, 19 Abs. 1 QRL). Ähnliches gilt für die Rücknahme des Schutzstatus. Nach der QRL setzt die Rücknahme eines einmal erteilten Schutzstatus voraus, dass die Schutzzuerkennung auf einer falschen Darstellung oder dem Verschweigen von Tatsachen sowie der Verwendung falscher / gefälschter Dokumente beruhte (Art. 14 Abs. 3 b), 19 Abs. 3 b) QRL). Die Nachweispflicht liegt jedoch auch hier beim jeweiligen Mitgliedstaat (Art. 14 Abs. 4, 19 Abs. 4 QRL).

Weiterführende Informationen zum Gesetzgebungsverfahren und zur Gesetzesbegründung sowie kritische Stellungnahmen u.a. von RA’in Böhlo und RA Oberhäuser sind auf der Seite des Informationsverbundes Asyl & Migration unter folgendem Link abrufbar:https://www.asyl.net/view/detail/News/bundestag-beschliesst-einfuehrung-einer-mitwirkungspflicht-in-widerrufsverfahren/